Einführung in Zen-Meditation
Motivation:
Am Beginn der Zen-Praxis benötigen wir vorerst soviel Motivation, um eine kontinuierliche Übung entstehen zu lassen. Diese kann sich von der Suche nach Stille und körperlicher Entspannung bis zum tiefen Wunsch nach Befreiung oder Erleuchtung erstrecken. Je umfassender die Motivation ist, umso weiter reicht sie.
Ort:
Für die Praxis der Zen-Meditation ist ein ruhiger, aufgeräumter Ort hilfreich, vielleicht mit Blumen geschmückt, mit einem Bild oder Statue eines/r Lehrers/Lehrerin. Auf einer Unterlage ca. 80x80 cm liegt ein Sitzkissen, Sitzbänkchen oder Stuhl. Wir schalten das Telefon ab, informieren die Mitbewohner über die Zeiten der Sitzpraxis. Gut bewährt hat sich die Zeit am Morgen nach dem Aufstehen und am Abend nach Erledigung der täglichen Arbeiten. Wir legen vor dem Sitzen die Zeitdauer der Sitzperiode fest und halten uns daran, auch wenn Schmerzen in den Gelenken, Juckreiz oder das Bedürfnis, etwas zu erledigen oder aufzuschreiben, entstehen. Die Sitzdauer kann sich von 5 Minuten bis 30 Minuten oder mehr im Laufe der Zeit steigern. Wichtig ist die Regelmäßigkeit der Übung und nicht die Dauer der Sitzperiode. Es ist zu vergleichen mit dem Training eines Muskels, nur die kontinuierliche Übung ohne lange Unterbrechungen stärkt den Muskel und es kann Freude in der Übung entstehen. Es ist sehr hilfreich, die Sitzpraxis nicht von Stimmungen abhängig zu machen, d.h. den Impuls zur Übung nicht von guter oder schlechter Laune beeinflussen zu lassen oder ob die Meditation gut oder schlecht gelaufen ist.
Haltung:
Für die Praxis des Zen ist eine aufrechte, entspannte Körperhaltung sehr hilfreich. Ob auf einem Sitzkissen, Bänkchen oder Stuhl sollte die Haltung eine freie, entspannte Atmung ermöglichen. Wir stellen uns vor, dass an dem Scheitel unseres Kopfes eine Schnur befestigt ist (etwa wie bei einer Marionetten-Figur) und jemand durch Ziehen an der Schnur unseren Oberkörper ein klein wenig nach oben streckt. So entsteht eine wache Haltung.
Der Buddha lehrte Meditation in 4 Körperhaltungen: Sitzen, Liegen, Stehen und Gehen. Ist irgendeine Haltung zu anstrengend oder schmerzhaft, probieren wir eine andere Haltung aus.
Beim Sitzen auf einem Kissen sollten die Knie auf der Sitzmatte aufliegen, um eine stabile Haltung zu ermöglichen. Ist das nicht möglich, schieben wir ein Kissen unter die Kniee, damit keine unnötige Spannung in den Beinen entsteht. Die Haltung sollte die Meditation unterstützen. Die Haltung der Hände im Zen ist traditionell so, dass ein Handrücken auf der Handfläche der anderen Hand liegt, die Daumen sich berühren und ein aufrechtes Dreieck bilden. Beim Sitzen kann man die Hände auch auf die Oberschenkel legen. Es ist gut mit verschiedenen Handhaltungen zu experimentieren. Hier gilt, wie bei der Körperhaltung, die Handhaltung sollte die Meditation unterstützen.
Atmung:
Die Atmung soll natürlich sein, ein Forcieren oder Verlangsamen ist nicht erforderlich. Unser Geist ist durch die Alltagsgewohnheiten meist sehr unruhig, springt von einem Gedanken zum anderen, produziert jede Menge Gedankenfilme und – geschichten. Der erste Schritt besteht hier in einer Beruhigung des Geistes indem wir den Focus der Achtsamkeit auf den Atem lenken. Hier nehmen wir wahr bzw. spüren wir entweder die Atembewegungen des Hebens und Senkens der Bauchdecke oder spüren die Atembewegungen an den Nasenlöchern, wie die Atemluft an den Nasenflügeln und Härchen entlang streicht.(weitere Details siehe unten).
Meditationssitzung:
Wir legen vorher die Dauer der Sitzperiode fest und halten uns daran. Nach dem sich Setzen auf das Kissen, Bänkchen oder Stuhl neigen wir den Oberkörper mehrmals nach rechts und links, nach vorne und nach hinten, lassen das Schwingen kleiner werden bis der Oberkörper aufrecht zentriert ist. Die Augen sind offen und ruhen entspannt auf einem Bereich des Bodens von ca. 1-2 Meter vor uns. Es ist hilfreich die Sitzperiode mit einem Glockenklang zu beginnen und zu beenden. Hören wir den Glockenklang so richten wir unseren Geist auf das Schwingen der Glocke. Ist der Klang verebbt, richten wir die Achtsamkeit auf die Atembewegungen des Hebens und Senkens der Bauchdecke oder spüren den Atem, wie er an den Nasenflügeln entlang streicht. Verliert sich der Geist in Gedanken oder Sinneswahrnehmungen, so kehren wir jedes Mal zum unserem Atemobjekt zurück, sobald wir das Abdriften des Geistes bemerken. Dieses Bemerken des Abdriftens und Zurückkehrens zum Atem versuchen wir ohne Urteil oder Bewertung zu tun. Erinnern wir uns an die Gehversuche eines Kindes, es fällt unzählige Male hin, aber es steht einfach wieder auf. Bemerken wir, dass wir uns in Gedanken, Geschichten, Emotionen verloren haben, kehren wir unmittelbar zum Atem zurück. Dieser Vorgang wird sich unzählige Male wiederholen, vielleicht merken wir mit der Zeit, dass die Verweildauer beim Atem sich etwas verlängert. Um Ungeduld mit sich selbst zu vermeiden, halten wir uns vor Augen, dass das Umherschwirren eine Gewohnheit unseres Geistes ist, die sich über viele Jahre verfestigt hat. Wenn wir auf einer Wiesenfläche das erste mal einen Weg durch das Gras gehen, werden unsere Spuren in kurzer Zeit nicht mehr sichtbar sein. Gehen wir die gleiche Strecke immer wieder, so entsteht zuerst ein kleiner Trampelpfad, der mit der Zeit immer deutlicher wird, bis ein richtiger Weg entsteht. So entstehen auch unsere Gewohnheiten. Ist es zu schwierig, bei den Atembewegungen zu verweilen, können wir das Ausatmen zählen – von 1 bis 10, dann wieder bei 1 beginnen. Sind wir nur bis 3 gekommen oder schon beispielsweise bei 19, so beginnen wir immer wieder bei 1. Ist der Geist etwas konzentrierter, wechseln wir die Übung wieder zur Atemwahrnehmung wie oben beschrieben. Ist die Sitzperiode zu Ende, hören wir den Klang der Glocke und verweilen beim Verebben der Schwingungen bis sie unhörbar geworden sind. Jetzt können wir uns mit gefalteten Händen verneigen, aus Respekt uns gegenüber, dass wir die Sitzperiode durchgehalten haben, und falls jemand mit uns meditiert hat, aus Respekt vor den anderen Personen.
Die 4 Verankerungen der Achtsamkeit:
In Buddha´s Lehrrede über die Achtsamkeit ( in Pali, der Sprache der ersten schriftlichen Aufzeichnungen der Lehrreden Buddhas, Satipatthana sutta genannt) beschreibt er genau, aus welchen Aspekten unsere Übung bestehen soll und worauf sich die Achtsamkeit verankern kann.
Zuerst spricht der Buddha davon, dass unsere Übung eifrig, wissensklar und achtsam sein soll.
Eifrig heißt hier, dass wir eine gewisse Energie aufwenden müssen, um unseren Geist zum Beispiel beim Atem verweilen lassen zu können. Die Energie soll nicht zu lasch, aber auch nicht zu angestrengt sein. Etwa so, wie die Seite einer Gitarre nur schön erklingen kann, wenn sie nicht zu fest, aber auch nicht zu locker gespannt ist.
Wissensklar heißt hier: wir wissen genau, was in uns vorgeht. Wir könnten es auch genau beschreiben, aber es genügt auch ein intuitives Wissen darüber. Wenn unsere Hand in das Wasser greift, so wissen wir ganz genau, wie sich das anfühlt, auch ohne dass wir es gedanklich oder verbal beschreiben. Wenn wir schläfrig sind, wissen wir, wir sind schläfrig. Wenn der Atem schnell geht, wissen wir, der Atem geht schnell. Das hört sich vielleicht etwas banal an, doch wissensklar können wir nur sein, wenn wir wach, nicht abgelenkt, bei der Sache sind.
Achtsamkeit (in Pali: sati) hat eine sehr weite Bedeutung. Ein Aspekt von Achtsamkeit heißt „sich erinnern“, „sich besinnen“. Damit ist in erster Linie ein Sich Erinnern an das Hier und Jetzt gemeint, wo bin ich jetzt. Achtsamkeit mischt sich nicht ein. Das heißt sie verwickelt sich nicht in den Empfindungen, den Gedanken, den Emotionen. Achtsamkeit lässt die Dinge so sein, wie sie sind, ohne etwas daraus zu machen. Ein hilfreiches Bild ist der Türsteher eines großen Hotels. Er beobachtet genau, wer in das Hotel eintritt, wer es verlässt, wie die Leute gekleidet sind, in welcher Stimmung sie sind. Seine Aufgabe ist nicht, unliebsamen Personen den Eintritt zu verwehren oder andere Personen besonders willkommen zu heißen. Er weiß genau, was vor sich geht, er folgt den Personen nicht, denn dann wäre die Tür ja verweist. Der Türsteher beurteilt die Personen nicht. Die Personen sind in diesem Fall ein Bild für unsere Sinneswahrnehmungen, die Empfindungen, die Gedanken, die Bilder, die Emotionen.
Diese 3 Qualitäten des Geistes müssen vorhanden sein, damit wir von Meditation sprechen können. Bis jetzt haben wir die Sammlung, ein Ruhigwerden, Konzentration des Geistes besprochen. Buddhistische Meditation beschäftigt sich darüber hinaus mit der Einsicht in die Lebensprozesse, beschäftigt sich mit der Frage, wie entsteht Leiden, wie entsteht Glück, wie entsteht Befreiung von Gier, Hass und Unwissenheit.
Beim Einüben von Sammlung/Konzentration ist unsere Achtsamkeit auf ein Objekt (in diesem Fall auf den Atem) gerichtet. Es ist damit meist ein Ausschließen von anderen Sinneswahrnehmungen (Seheindrücken, Geräuschen, Tastempfindungen, Gerüchen, Gedanken) verbunden.
Bei den 4 Verankerungen der Achtsamkeit geht es nun darum, unseren Geist wieder für alle Sinneseindrücke zu öffnen. Damit diese Öffnung nicht unkontrolliert geschieht und zu Abschweifung führt, untersuchen wir 4 aufeinander aufbauende Bereiche, auf die sich die Achtsamkeit richtet.
1.Verankerung auf den Körper:
Mit Körper sind hier alle körperlichen Wahrnehmungen (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten, Denken) gemeint. Im buddhistischen Kontext zählt das Denken zu den körperlichen Sinneswahrnehmung. Ist unsere Achtsamkeit auf den Atem gerichtet, so wissen wir, ob der Atem lang, kurz, im Bauch, in der Brust usw. geht. In dem oben erwähnten Sutra heißt es: Lang einatmend weiß der Übende, ich atme lang ein. Es kann oftmals hilfreich sein, diesen Vorgang mit einem Wort in Gedanken zu benennen. Zum Beispiel mit „ein“ für Einatmen, „aus“ für Ausatmen. Dieses Benennen sollte nur im Hintergrund des Geistes geschehen. Das Benennen sollte nicht die Wahrnehmung des körperlichen Vorganges verdecken oder überlagern. Es ist nur ein Hilfsmittel, um den Prozess des Ein- und Ausatmens besser mitzukriegen. Bei den Verankerungen der Achtsamkeit stehen Prozesse im Mittelpunkt der Achtsamkeit. Untersuchen wir zum Beispiel das Hören eines Glockenklanges. Der Klang entsteht, hat eine bestimmte Dauer und vergeht wieder. Wenn wir genau hinhören, so können wir vielleicht erkennen, dass bestimmte Bedingungen zusammenkommen müssen, damit die Wahrnehmung eines Glockenklanges entstehen kann. Da muss eine Glocke, ein Schlägel, jemand, der die Glocke schlägt, ein Hörorganismus, ein Bewusstsein, das die Schwingungen als Hören wahrnimmt, da sein. Fehlt eine dieser Bedingungen, so kommt es zu keinem Hören eines Glockenklanges. Die daraus folgende Erkenntnis, dass Hören ein Prozess ist und von vielen Bedingungen abhängig ist, ist eine Einsicht in einen Lebensprozess. So können wir jede Sinneswahrnehmung in gleicher Weise untersuchen. Wir nehmen einen Schmerz im Knie wahr, richten die Achtsamkeit auf den Schmerz, nehmen wahr, dass da ein Beginn der Schmerzwahrnehmung da ist, dass der Schmerz sich verändert, vielleicht auch, dass er nachlässt und wieder vergeht. Es sind verschiedene Bedingungen zusammen gekommen und es entsteht eine Schmerzwahrnehmung.
Wenn wir die sich in den Vordergrund des Bewusstseins schiebende Körperwahrnehmungen immer und immer wieder eifrig, wissensklar und achtsam untersuchen, entsteht vielleicht in uns die Einsicht, dass alle Dinge zusammengesetzt sind, auftauchen, eine Zeitlang bestehen und wieder verschwinden. Hier entsteht die Einsicht in die Unbeständigkeit allen Daseins (wir mit eingeschlossen) und wir können erkennen, dass diese Prozesse nicht mir/uns gehören, dass sie auf Grund von Bedingungen entstehen, sich ständig verändern und auch wieder verschwinden, wenn Bedingungen wegfallen.
2.Verankerung in den Empfindungen:
In der buddhistischen Psychologie wird der Wahrnehmungsprozess in primäre und variable Vorgänge zerlegt. Primär heißt hier, dass diese Prozesse immer ablaufen. Es sind dies biologisch programmierte Abläufe, die alle vorhanden sein müssen, damit Wahrnehmung zustande kommt. Die variablen können auftauchen, müssen aber nicht. Zu den primären gehört die Empfindung von Unangenehm, Angenehm oder Neutral. Auch wenn wir es meist nicht mitkriegen, so folgen auf jeden Sinnenreiz in Sekundenbruchteilen die Empfindungen: unangenehm, angenehm oder weder unangenehm noch angenehm (= neutral). Das ist ein biologischer Prozess, den wir nicht steuern können, der aber lebensnotwendig ist bzw. unser Überleben sichern soll. In der 2. Verankerung der Achtsamkeit auf die Empfindungen (unangenehm, angenehm, neutral) untersuchen wir diesen Prozess. Normalerweise reagieren wir auf diese Empfindungen sofort mit Ablehnung von Unangenehmen und mit Habenwollen von Angenehmen. Die neutrale Empfindung ist meist kein Problem, weil daraus keine weiterführenden Reaktionen entstehen. Kriegen wir die reine Empfindung nicht mit, so befinden wir uns meist schon in den Reaktionen in Form von Gedanken und Emotionen, die unseren Geist meist gehörig beschäftigen. Ist unsere Achtsamkeit auf die reine Wahrnehmung von Unangenehm – Angenehm – Neutral gerichtet, entsteht erst eine kleine Lücke, bevor die Reaktion von Ablehnen (Aversion bis zu Hass) oder Habenwollen (Gier) einsetzt. Wir erkennen vielleicht, dass es nicht unbedingt zu einer Reaktion kommen muss, dass durch Übung ein Stück Freiheit in unserer Reaktion entsteht. Mit der Dauer der Übung können wir es bei der reinen Wahrnehmung von Unangenehm, Angenehm oder Neutral belassen.
Es ist oft hilfreich, dieses Wahrnehmen im Geist mit „nur unangenehm“ oder „nur angenehm“ zu benennen. Wie bereits oben beschrieben, ist dieses Benennen nur ein Hilfsmittel und sollte ganz im Hintergrund erfolgen.
3.Verankerung auf die Geistobjekte:
Geistobjekte sind alle Formen von geistigen Zuständen, gedanklichen und emotionalen Formen wie Angst, Wut, Freude usw. - also alle energetischen Qualitäten des Geistes. Drängt sich eine solche emotionale, gedankliche Form in den Vordergrund unserer Geistes, so untersuchen wir wieder den Prozess, dass es Bedingungen für die Entstehung einer solchen geistigen Qualität braucht, dass sie eine Weile anhält, sich verändert, stärker oder schwächer wird und schließlich auch wieder verschwindet, wenn wir sie weder mit Gier noch mit Ablehnung am Leben erhalten. Auch hier ist es manchmal hilfreich, solche geistige Qualitäten zu benennen in Form von „Gedanken oder Denken“, „Traurigkeit“, „Ärger“, „Freude“, „Zorn“ usw., ohne sich an den Benennungen festzuhalten. Die Benennung hilft uns zu erkennen, dass der erlebte geistige oder körperliche Zustand eben nur ein geistiger oder körperlicher Zustand ist, der entsteht, eine Zeitlang bleibt, sich ständig verändert und wieder geht und der nicht uns gehört bzw. der wir nicht sind. Hier wird die Identifikation mit diesen Zuständen langsam aufgeweicht und vermindert damit Leiden.
4.Verankerung der Achtsamkeit:
Hier untersuchen wir, ob die unter Punkt 3 genannten geistigen Zustände, gedanklichen und emotionalen Formen heilsam oder unheilsam für uns oder andere Wesen sind. Wir untersuchen, ob sie Leiden oder Glück für uns oder andere schaffen. Wir erkennen, was hinderlich für die Übung ist, und erkennen die Wahrheit von den „4 edlen Wahrheiten“. Die Untersuchung ist am Anfang der Praxis sicher intellektuell, doch mit der Dauer der Übung entsteht ein blitzschnelles und intuitives Erkennen, was heilsam oder unheilsam ist, was Glück oder Leiden schafft.